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Eröffnung: 4.7.2002, 19.00
Ausstellungsdauer: 5.7.- 7.9.2002
In Hannes Böcks dreiteiligem Film "Kindheit - childhood", der teils
aus vorgefundenem, teils eigenem Material entstanden ist, blickt ein Ich-Erzähler
auf Szenen auf Szenen seiner Kindheit zurück, anhand derer er die Geschichte
seiner Familie analysiert. Die anfänglich scheinbar konstruktive Bindung
von Text und Bild wird im Laufe des Filmes lose assoziativ und bruchstückhaft,
es treten Leerstellen und Widersprüchlichkeiten in der Kohärenz des Erzählflusses
auf, die Erinnerung und Identität als Konstruktionen spürbar werden lassen.
Die Aneignung von fremdem Bildmaterial und der Ausweg in eine Fremdsprache
zur Vermittlung der subjektiven Geschichte zeigen, dass die Auseinandersetzung
mit der eigenen Identität über einen Prozess der Distanzierung führt,
der nicht ohne Verfremdungen und Verletzungen geschieht.
Stef Burghards stetig anwachsender Pfeiler aus aktuellen Flyern,
Foldern und Einladungskarten der Wiener Kunstszene, die er während der
Dauer der Ausstellung regelmäßig dem Fluss der Ankündigungspraxis entzieht,
macht die Ambivalenz der Kunstausübung zwischen öffentlicher Praxis und
institutionalisiertem Habitus deutlich. Die gebündelte Masse der Einladungskarten
wird, ihrer Funktion als Ankündigungsobjekte entzogen, in ihrer Objekthaftigkeit
sichtbar, im Gegenzug verweisen die leeren Flyerauslagen auf die Unterbrechung
des Ankündigungskreislaufs.
Julien Diehns Fotografien sind Teil einer Serie, die während eines
Aufenthalts in Kanada und den USA entstanden sind. Zentrales Motiv sind
amerikanische Wagen aus den 70er Jahren, die zugleich als Statussymbole
als auch als Mittel zur Identitätsbildung dienen. Die Aufnahmen sind in
dem Moment entstanden, in dem sich ein Mann daran macht, die Autotür zu
öffnen, und damit zugleich auch seinen Besitzanspruch manifestiert. Durch
diese szenische Einbindung erinnern die Fotografien an filmstills und
machen dadurch auch die starke Symbolhaftigkeit der Autos deutlicher sichtbar,
die eine Vielfalt an Referenzen aus der Populärkultur eröffnen.
Der "Trickster" unter den AusstellungsteilnehmerInnen heißt Leopold
Kessler. Einfache Gebrauchsgegenstände bekommen durch kleine technische
Eingriffe ein Eigenleben oder werden in andere Funktionen überführt. Betritt
ein/e BesucherIn den Galerieraum, so springt ein paar Meter weiter ein
Kühlschrank auf und ergießt seinen Inhalt auf den Boden. Versucht man
einen unbequem im Weg stehenden Stuhl aus dem Wege zu rücken, so schlägt
dieser unvermittelt aus. Ein Fernseher schaltet sich erst durch einen
kräftigen Schlag auf seine Oberseite ein. Und auch das Leuchtschild über
dem Eingang der Galerie wird interaktiv, es kann durch die BesucherInnen
wie eine Lampe ein- und ausgeschaltet werden.
Die Textarbeiten und an "ready-mades" erinnernden Pappschachteln von Christian
Kobald arbeiten mit zahlreichen Referenzen auf Pop-Art und Minimalismus.
Die stark vergrößerten Verpackungs-kartons, in denen sich fastfood-Schachteln
als gleichwertige Formobjekte neben dem Entwurf einer Kaviarverpackung
von Arne Jacobsen behaupten können, erlangen in ihrer strengen ästhetischen
Reduktion eine ähnliche Polykontextualität wie die Standardwerken der
Kunstkritik - in diesem Fall einen Aufsatz von Clement Greenberg - entnommen
Textarbeiten, die in ihrer Präsentation ebenso monumentalisiert, wie auch
in ihrer referentiellen Abhängigkeit sichtbar werden.
Die Fotografien von Doris Krüger erscheinen wie verlockende Gartenlandschaften,
die jedoch in einem kleinen Ausschnitt zu viele Grüntöne und eine zu große
Variation unterschiedlicher Pflanzen kombinieren. In diesen computergenerierten
Collagen aus schnittlos zusammengesetzten Einzelbildern, die die Künstlerin
einem botanischen Archiv entnommen hat, wird eine fiktionale fantastische
Mikrowelt konstruiert.
Die zarten Bleistiftzeichnungen Tatiana Lecomtes zwingen den/die
BetrachterIn direkt vor die Motive, die auf den ersten Blick wie Illustrationen
aus einem Kinderbuch erscheinen. Dieser Eindruck kippt jedoch bald: Die
dargestellten Szenen bleiben verstörend unklar zwischen harmloser Unverfänglichkeit
und der Andeutung von Missbrauch und Gewalt und machen damit die Ambivalenz
des Machtverhältnisses zwischen Kindern und Erwachsenen deutlich. Eine
ähnlich beunruhigende Vorahnung rufen zwei Fotografien eines Waldweges
hervor, die den Tatort eines Kindesmissbrauchs darstellen.
Lone Haugaard Madsen visualisiert in ihren Arbeiten die Funktion
von Mobiliar als Raumobjekten. Diese Fragestellung wird, in ihrer Präsentation
im Galerieraum, um die Dimension der Geschichte des "white cube" als formalistischem
Konstrukt erweitert. Die ausgestellte Bank wird, in der Beschränkung auf
ihre minimalistischen Grundbestandteile "Kubus - Sitzfläche" auf die wesentlichen
funktionalen Elemente reduziert und das Gebrauchstück zugleich zu einem
Formobjekt abstrahiert.
Yves Mettlers Arbeit "Allaman/CH - bauliche Landschaft einer misslungenen
Spekulation" macht auf die unkontrollierbaren Auswirkungen von Urbanisierung
aufmerksam. Die beiden auf mobilen Baustellenständern angebrachten Fotografien
vergessener, untätig ruhender Baustellen verweisen auf Momente der Bauspekulation
ebenso wie auf die Darstellung von Landschaft als spekulativem Sinnobjekt.
Matthias Meyers kurzes loop eines Balkons im Münchener Olympiadorf
arbeitet mit der suggestiven Kraft eines kollektiven Erinnerungsbildes:
Die Aufnahme eines Palästinensers, der während des Attentats auf die israelische
Sportmannschaft bei der Olympiade 1972 auf dem Balkon gefilmt wurde, ist
als Pressefoto und TV-Bild bekannt, hier sind jedoch die entscheidenen,
klärendenen Elemente - die Figur des Terroristen - herausretuschiert.
Die zurückbleibende kurze Bewegung der Kamera in der Aufnahme verweist
auf die fehlende szenische Einbindung, auf das Vakuum im Handlungs-zusammenhang,
es bleibt ein stoischer Blick auf einen Ort, an dem sich nichts ereignet,
der damit auf die nüchterne Studie eines Elements des architektonischen
Modernismus reduziert wird.
Misha Strojs Arbeiten entspringen dem Fundus eines Denksystems,
das sich einer wissenschaftlichen Aneignung ebenso widersetzt wie verdankt.
Die Installation "Schrödingers Küche", gemeinsam mit "dem vielleicht letzten
Foto, das Schrödinger zeigt" ausgestellt, ist in Verbindung mit Strojs
Künstlerbuch "MoMA" (The Museum of the Mechanical Age") entstanden, indem
119 zugleich abstrakt-gedankliche und konkret erfahrbare Probleme visualisiert
und verbalisiert sind. "Schrödingers Küche", als Realisation von Problem
59 - dem "Problem der Sedimentation und des Ausdünnens." - verweist in
seiner spekulativen Inszenierung auf die Unmöglichkeit der Darstellung
und der Nachvollziehbarkeit wissenschaftlicher Konstrukte.
In den Fotografien Viktoria Tremmels ist die Auseinandersetzung
mit Urbanität und Öffentlichkeit zentral. Die Aufnahmen Berliner "non-sites"
sind von einem Blick auf das ästhetische und funktionale Vakuum urbaner
Räume bestimmt, denen noch nicht im Zuge des Umbruchs der urbanen Neugestaltung
eine neue Identität zugewiesen wurde. Daran anschließend, verweist eine
Reihe von Aufnahmen öffentlicher Orte, die Tremmel wie abgeschiedene Museumsobjekte
hinter Glas fotografiert hat, auf das Spannungsfeld privat-öffentlich,
wie auch auf die inszenierte Präsentation öffentlicher Orte, die wie in
einer Auslage der urbanen Selbstbestimmung gezeigt werden. Eine ähnliche
Auseinandersetzung mit Fragen von Öffentlichkeit und Privatheit, Innen
und Außen zeigt ihr Video, in dem Aufnahmen eines Zimmers mit denen eines
Tauchers in einem Schwimmbecken im blue-box Verfahren übereinander montiert
sind. Wie in einer Traumsequenz bewegt sich der Schwimmer durch ein in
schimmerndes Wasser getauchtes Zimmer.
Alexander Wolff hat mit einem gezielt einfachen Eingriff den hinteren
Raum der Galerie, den "viewing room" verändert. Seine "Täfelung" einer
Wandseite mit einem Parkettboden bewirkt eine räumliche Desorientierung
und Entfunktionalisierung, die den Raum als bloßes Formobjekt sichtbar
werden lassen. Zugleich versteht sich der Eingriff auch als Kommentar
zur klaren Formensprache der Galerie, die hier ironisch hinterfragt wird.
Im gleichen Raum ist auch eine malerische Arbeit des Künstlers ausgestellt,
die eine ebenso nüchterne und unspektakuläre Auseinandersetzung mit malereitheoretischen
Fragestellungen zeigt.
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