"Der Passagier"
Eröffnung: 29.3.2000, 19 Uhr
Ausstellungsdauer: 30.3.2000 bis 6.5.2000



Mit der Ausstellung "Der Passagier" gibt der Künstler Hans Schabus (geb. 1970) einen umfassenden Einblick in seine aktuelle Arbeit, eine Arbeit, die "Rückblicke" eröffnet: Gemeint sind Blickweisen auf den am Auge vorbeiziehenden Raum. Anders als die moderne Figur des Flaneurs, der sich mit wanderndem Blick seine Umgebung aneignet, ist Schabus der "Passagier", an dem die Dinge vorbeiziehen, ohne daß das Auge steuern oder fixieren könnte: Es gibt sich der Zeit und dem Raum hin, bleibt von den Phänomenen angezogen, kann sich ihnen nicht entziehen.

Mit seiner Ausstellung "Der Passagier" vollzieht er einen komplexen Spagat zwischen immaterieller Skulptur und brachialer Materialgewalt. In seiner Arbeit geht es um die Sichtbarmachung linearer Raum- und Zeitausdehnung sowie um den Transport von Raum- und Zeiterleben. Sein kürzlich entstandener Film "Passagier" (2000) zeigt die zurückgelegte Strecke einer (Modell-) Eisenbahn, die Schabus – dem Grundriß seines Ateliers folgend – in 2,7 m Höhe durch seinen Arbeitsraum legte. Im "Rückblick" stürzen fragmentarische Versatzstücke des durchfahrenen Raumes auf den Betrachter ein. Primär ist die Bewegung aber mit sich selbst beschäftigt, nur peripher ist der Atelieralltag erkennbar. Hier geht es um die Bildwerdung von Raum und Zeit. Der Betrachter selbst wird zum Passagier.

Mitten im Ausstellungsraum steht "Anton", ein halbes Auto. Festgehalten in dem gleichnamigen Super 8-Film von 1998/99, unterlegt mit der eigens für das Projekt gemachten Filmmusik von Franz Reisecker, durchtrennt Schabus seinen lang gefahrenen Renault 4 Kastenwagen in der Mitte, und baute den rückwärtigen Teil in einen Anhänger ("Anton", 1998/99) um. Das Fahrzeug als Träger von Geschichte und als Metapher von Bewegung dient mit seinem Verweis auf die "Rückscheibe" durch die davor plazierte Rückbank als "Kinositz", von dem aus wir zurück in die Zukunft mitgenommen werden – ein Betrachterstandpunkt übrigens, von dem der Künstler sich selbst nicht ausnimmt: Ein biographischer Schnapschuß (in der Ausstellung als Plakat im Schaufenster) zeigt Kleinkind Schabus essend auf dem Topf. Kurioserweise ist das Foto perspektivisch verzerrt, der Kindersitz gerät zum Schleudersitz, Zeit und Raum stürzen auf ihn ein.

Ein Rückblick anderer Art ist die aus 154 Fotografien bestehende Arbeit "Besucher" (1999). Schabus porträtierte ein ganzes Jahr lang jeden, der sein Atelier betrat. Der Kamerastandpunkt blieb in Augenhöhe des Künstlers fixiert: Es entstand eine, durch die unterschiedlichen Körpergrößen bedingte, imaginäre Tonleiter von 154 Personen und somit eine 30 Meter lange Fotoarbeit. Die Porträtfotos erscheinen parallel zur Ausstellung auch als Buch.

Biografien und Kreisläufe sind wichtig in Schabus´ Arbeit. Themenkomplexe werden ausgiebig reflektiert und durchgearbeitet. Die Ergebnisse seiner Recherchen werden in verschiedene mediale Zusammenhänge überführt und erschließen sich – nicht ohne Humor – in Filmen, Fotografien, Plakaten, Büchern sowie Rauminstallationen. "Der Passagier" thematisiert den Ort der Produktion: Die Galerie wird zum Atelier.

Wichtigste Filmprojekte: "100 Laufmeter", 1998 (16mm), "Anton", 1998/99 (Super 8/DVD), "Loch" 1999/2000 (Video/DVD) "Passagier", 2000 (Video/DVD).